Lehmhaus Retzbach
Beschreibung
Ein altes Lehmhaus aus dem 19. Jahrhundert mit massiven Wänden in einer „gsatzen Lehmbauweise“ wurde über viele Jahre von einer verantwortungsvollen Besitzerin mit Bedacht instandgehalten. Sie legte auch besonders viel Wert darauf, das Gebäude in jeder Beziehung in seiner Ursprünglichkeit zu erhalten. Dieses Haus im Wienviertel ist Teil eines Ensembles baugleicher Gebäude in einer
romantischen Gasse, die von außen alle gleich aussehen. Die Straßenseitige Fassade bleibt unverändert und erst bei Betreten des schmalen Hofes erkennt man die behutsame Transformation zu einem zeitgemäß nutzbaren Wohnhaus. Kleine Fenster werden zu Terrassentüren umgebaut und neue Raumverbände entstehen durch zusätzliche Öffnungen. In die statische Grundsubstanz wird dabei nicht eingegriffen.
Die alten desolaten Werkstatträume und Lager wurden exklusive der 60 cm dicken Lehmmauern abgetragen und um einen neuen Holzzubau mit offenem Dachraum und Blick in die Weinberge ergänzt. Da das langgestreckte Dach auch über diesen Teil mit seiner alten Deckung darüber reicht, wirkt dieser Anbau wie hineingewoben. Im Inneren des Hauses bleiben Böden und die alten Holzbalkendecken mit überlappender Schalung in den früheren Wohnräumen erhalten. Dazwischen werden behutsam neue Wohnelemente eingewoben, wie Sanitärräume, neu gestaltete Holztrennwände und neue Öffnungen nach außen, die mehr Licht und Sonne in den Raum eindringen lassen. Die Materialauswahl und Materialbeschaffenheit wird aber vom historischen Bestand bestimmt.
Frühere Erfahrungen von Renovierungen und Transformationen historischer Lehmhäuser haben gezeigt, dass Sanierungen mit modernen Baustoffen die Substanz dieser historischen Gebäude schädigen können. Um die Feuchteregulierung weiterhin zu ermöglichen, wurden Holz, Lehm und Kalk unbehandelt eingesetzt. Auf die Verwendung dichter Materialien wie Beton wurde bewusst verzichtet.
Der ursprünglich verwendete Lehm stammt vom eigenen Grund und wurde mit Strohhäcksel, Zweigen, Steinen und Dung vermischt. Auch für die Transformation wurden sägeraues Schnittholz und Lehm aus der Region verwendet. Hier können diese unbehandelten Materialien ihre Stärken voll ausspielen und den neuen BewohnerInnen ein gesundes und emissionsfreies Raumklima bieten. In unmittelbarer Verbindung zum Wohnhaus gliedert sich im hinteren Teil des Hofes ein freistehendes früheres Zugehhaus an. Dieses wird in eine offene überdachte Terrasse verwandelt, welche bei jedem Wetter zum Verweilen einlädt. Dach und Wände bleiben, und bekommen neue Öffnungen, um Blicke in die hügelige Weinlandschaft zu inszenieren. In der Übergangszeit oder an kühlen Abenden sorgt ein Holzofen für wohlige Wärme.
„Die Transformation von Altbestand unter Berücksichtigung seiner Ressourcen und
Vorteile ist der wohl spannendste Aspekt bei der Nutzung von Bestandsbauten –
einem zentralen Zukunftsaspekt im Bereich der Architektur. So kann man aus einem
alten Hof, der unter bitterer Armut mit „primitivsten“ Mitteln – nämlich jenen, die am
eigenen Grund vorhanden waren – entstanden ist, ein Haus entwickeln, das ich als
neuen Luxus bezeichnen möchte: ökologisch, gesund, körperverträglich
und sinnlich.“ Andreas Breuss
Quellen:
Informationen von Planer Andreas Breuss
https: //www.noe-gestalten.at/architektur/alt-und-neu-lehmhaus-retzbach/
https://www.andibreuss.at/projekt/lehmhaus-retzbach-2020
Abbildungsnachweis:
Fotos: ©Romana Fürnkranz, Pläne: Andreas Breuss
Lehmhaus Retzbach
Standort: Retzbach, Niederösterreich
Planung: 2018/2019
Ausführung: 2019/2020
Bautyp: Altbau, Zubau, Einfamilienhaus
Bauart: gesatzte Lehmbauweise, Lehmputz
Grundstücksfläche: 770m²
Bebaute Fläche: 220m²
AuftraggeberIn: Privat
Planung: ANDI BREUSS
Künstlergasse 11, Loft OG2, 1150 Wien
Tel.: +43 699 11 83 81 44
Mail: office@andibreuss.at
Website: www.andibreuss.at
Mitarbeit: DDI Edith Schroll und Florian Kolar BSc.
Statik: Zehetgruber-Laister ZT GmbH
Statzenberggasse 21, 3910 Zwettl
Tel.: +43 2822 52096
Mail: office@zehetgruberlaister.at
Website: www.zehetgruberlaister.at