Neumarkt a. d. Raab
Künstlerdorf Neumarkt
Standort: Burgenland, Hauptstraße 45, 8380 Neumarkt an der Raab
Entstehung Kulturverein Neumarkt an der Raab: 1964
Bautyp: Altbau, öffentlicher Bau
Bauart: G´satzter Lehm
Beschreibung
Das Künstlerdorf Neumarkt an der Raab entstand 1964, als der Maler Feri Zotter, Alfred Schmeller und Johannes Jandrasits die Idee zum Kulturverein Neumarkt an der Raab hatten. Hintergrund war der geplante Abriss eines alten Bauernhauses, dem Daxhaus. Das Daxhaus, ein uriger Streckhof mit lehmg´satzten Mauern, Strohdach, Brettergiebel und lehmgestampften Außengang sowie einer originalen Rauchkuchl, war eines der letzten Exemplare der anonymen historischen Baukultur, dessen Typus bis ins Mittelalter nachgewiesen werden konnte.
Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs in den 1960er Jahren sollten die archaischen Lehmhäuser abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden. Vor allem im Burgenland, das durch seine Lage entlang des damaligen „eisernen Vorhangs“ besonders isoliert war, war der Wunsch, die vermeintlich „rückständigen“ kleinbäuerlich-ländlichen Strukturen abzulegen und die Dörfer zu erneuern sehr groß.
Der geplante Abriss des alten Bauernhauses in Neumarkt an der Raab erregte glücklicherweise die Aufmerksamkeit von Feri Zotter, Johannes Jandrasits und Alfred Schmeller (u.a. damaliger Landeskonservator des Burgenlands). Schmeller stellte das Daxhaus unter Denkmalschutz und lieferte ein folgenreiches Gutachten, darüber hinaus regte er den zukünftigen Verwendungszweck an: „Dieses Haus soll dafür verwendet werden, Kunst zu beherbergen. Ein Haus stirbt aber, wenn es nicht bewohnt wird“. Feri Zotter gründete den Kulturverein Neumarkt an der Raab und machte sich zusammen mit anderen Hilfsbereiten daran, das alte Lehmhaus in Eigenregie zu restaurieren, was aufgrund der geringen finanziellen Mittel als einzige Möglichkeit erschien. Um das Daxhaus denkmalpflegerisch einwandfrei restaurieren zu können, mussten die g´satzten Lehmwände an Schadstellen mit einem Lehm-Häcksel-Gemisch neu gestampft werden. Der Dachstuhl verlangte nach Zimmermannsarbeit wie bei Blockbauten und bekam eine neue Strohdeckung. Der Verputz wurde ebenfalls mit einer Lehmbeimischung hergestellt. Zudem musste die im Daxhaus befindliche originale Rauchkuchl ebenfalls repariert werden. Als das Haus nach mühevoller Restaurierung bezugsfertig am 8.Juni 1968 eröffnet wurde, konnten die ersten Künstler eingeladen werden.
Die damalige Initiative in Neumarkt an der Raab ist als Pionierleistung zu sehen. Zum ersten Mal wurde einem alten burgenländischen Bauernhaus ein kultureller Wert zugesprochen. In den darauffolgenden Jahren fanden viele nationale und internationale Künstler ihren Weg nach Neumarkt an der Raab, wodurch zeitgenössische Kunst mit der regionalen bäuerlichen Baugeschichte verwoben wurde. Im Laufe der Jahrzehnte kamen im Künstlerdorf noch weitere Gebäude hinzu. Heute besteht das Ensemble aus acht historischen Bauten, in denen verschiedene Werkstätten, Seminarräume, ein Fotolabor, ein Büro sowie mehrere Unterkünfte untergebracht sind. Neben dem Daxhaus bestehen noch zwei weitere Häuser aus traditioneller Lehmbauweise und Strohdach, nämlich das Zweggerlhaus und das Paulihaus. Das Zweggerlhaus wurde 1970 vom Kulturverein erworben. Hier ist der Giebel gemauert und weist eine schöne Mörtelschnittverzierung auf. In der Stube gibt es noch eine Balkendecke, während in der Küche eine Decke von einem anderen, abgebrochenen Haus besorgt werden musste. Der rückwärtige Teil des Hauses war leider nicht mehr zu erhalten und wurde durch einen neuen, an überlieferte Formen angeknüpften Anbau ersetzt, weshalb nur der alte Teil unter Denkmalschutz steht. Das Paulihaus kam erst im Jahr 2006 dazu. Es wurde in Litzelsdorf abgetragen und danach in Neumarkt an der Raab samt Strohdach, Holzkonstruktion und Lehmputz wieder aufgebaut.
In Anbetracht der gegenwärtigen Situation, in der diese bäuerlichen Bauten tatsächlich weitgehend verschwunden sind, zeigt das Künstlerdorf Neumarkt an der Raab erfolgreich, wie auf kreative Weise solche Bauwerke bewahrt und als Teil der Kultur und Identität verstanden werden können.
Das Künstlerdorf besteht aus acht historischen Gebäuden, zwei davon liegen außerhalb des eigentlichen Ensembles.
Gebäude, in denen Lehm zum Einsatz kommt:
Daxhaus (typischer Südburgenländischer Streckhof mit Strohdach und Rauchküche im Originalzustand, war das erste Haus des Künstlerdorfes)
Zweggerlhaus
Paulihaus (typisches altes Bauernhaus mit Strohdach, kam 2006 aus Litzelsdorf dazu)
Andere Gebäude im Künstlerdorf:
Luishaus (beinhaltet eine Druckwerkstatt)
Ölmühle (Kürbiskernöl wurde hier gepresst, steht leicht außerhalb)
Kreuzstadl (ältester Kreuzstadl des Burgenlands)
Dorfgalerie (ehemalige Volksschule)
Pavillon (ältestes Kino Burgenlands)
Quellen:
http://docplayer.hu/11622304-2012-burgenland-geschichte-n-im-denkmal-tortenet-ek-a-muemlekben-30-september-2012-www-tagdesdenkmals-at.html
https://www.events.at/l/das-zweggerlhaus-kuenstlerdorf-neumarkt
http://kulturundkommunikation.at/schmoegner_data/files/neumarkt_festschrift_A5_web.pdf
Abbildungsnachweis: Julia Halbauer